Kohlenstofffaserverbundwerkstoffe (CFK) werden immer dann in der Automobil-, Luft- und Raumfahrt, sowie Medizin- und Sportartikelindustrie eingesetzt, wenn Strukturbauteile mit maximaler Festigkeit und Steifigkeit bei gleichzeitig minimalem Gewicht benötigt werden. Jedoch fallen etwa 30 Prozent der zur Herstellung von CFK verwendeten Rohstoffe als Produktionsabfälle an. Die weltweite Abfallmenge betrug im Jahr 2022 rund 32’100 Tonnen. Allein in der Luft- und Raumfahrtindustrie fallen schätzungsweise 4’500 bis 6’800 Tonnen CFK-Produktionsabfall pro Jahr an. Darüber hinaus werden weniger als 5 bis 15 Prozent der CFK-Abfälle am Ende ihrer Lebensdauer (EoL) rezykliert, während 85 bis 95 Prozent auf Deponien oder in der Verbrennungsanlage landen. In den vergangenen Jahren wurden daraufhin zwei Verfahren, Pyrolyse und Solvolyse entwickelt, um die teuren Kohlenstofffasern (CF) im industriellen Massstab zurückzugewinnen.
Mittels Pyrolyse oder Solvolyse zurückgewonnene Kohlenstofffasern (rCF) können gegenwärtig nur in Form von Kurzfasern für Spritzguss oder für die Herstellung von Vliesstoffen verarbeitet werden. Diese Produktklasse bietet ausgeprägte Materialeigenschaften, die deutlich oberhalb von unverstärkten Kunststoffen, jedoch gleichzeitig deutlich unter Hochleistungs-CFK-Laminaten liegen. Der Leistungsmangel korrespondiert schlicht mit dem sehr niedrigen Faservolumengehalt, der derzeit typischerweise etwa 35 Prozent für ein isotropes Vlies erreicht. Daher ist es in der Faserverbundindustrie die Meinung verbreitet, dass hier die Grenze von rCF-Halbzeugen im Hinblick auf die technische Machbarkeit und die Recyclingkosten erreicht sei.
Echte Zirkularität
Entgegen dieser Überzeugung zielt das Projekt Recywind darauf ab, rCF-Halbzeuge hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften so zu verbessern, dass sie Neufasermaterial in strukturellen Anwendungen tatsächlich ersetzen können. Nur dann kann eine echte Zirkularität für CFK-basierte Verbundwerkstoffe erreicht werden. Diese Vision wird von der Firma V Carbon GmbH in einer langfristigen Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunststofftechnik - IKT der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch getragen und soll durch dieses Projekt vertieft werden. Es wurden zwei Halbzeugformate auf Basis der rCF-Stapelfasertechnolgie entwickelt: 1. Tape, welches einen ebenen, breiten Querschnitt aufweist und für flächige, dünnwandige Bauteile geeignet ist und 2. Garn mit einem runden Querschnitt, welches sich für komplexere Geometrien eignet.
Gemeinsam mit dem deutschen Rahmenbauer SPIN und der CG TEC GmbH wurde ein massgeschneiderter Rennradrahmen als Demonstrator entworfen, um die Anwendbarkeit von 2nd-Life-Material als echtes Strukturbauteil zu demonstrieren. Insbesondere in der Fahrradbranche gibt es noch kein wirkliches Recyclingziel, so dass hier die Demonstration von CFK-Recycling und Zirkularität eine besondere Wirkung hat.
Mechanische Charakteristika
Als Startpunkt wurde das rCF-Material mechanisch charakterisiert. Die Auswertung der Tests und der Vergleich mit Neufasern ermöglichte es, Knock-Down-Faktoren zu definieren und zu einem rCF-spezifischen Design zu gelangen. Um die prozessspezifischen Anforderungen auf breiter Basis bewerten zu können, wurden verschiedene Herstellungsprozesse untersucht.
Für die geschlossen-förmigen konischen Abschnitte des Fahrradrahmens, wie Steuerrohr, Oberrohr, Unterrohr und Sitzrohr wurde Filamentwickeln mit einem rCF-Garn gewählt. Für die geschlossen-förmigen geradlinigen Abschnitte der Sitzstreben und das Tretlagergehäuse wurde eine Prepreg Rollwarpping mit unidirektionalem Prepreg gewählt. Die hinteren Ausfallenden wurden mittels Nasspressen hergestellt. Die Kettenstreben wurden aus unidirektionalem Prepreg im Schlauchblasverfahren hergestellt. Alle Einzelkomponenten wurden mit insitu-Muffen im «Tube-to-Tube»-Rahmenmontageprozess miteinander verklebt.
Der Rahmen wurde quasi-statisch hinsichtlich Lenkkopfsteifigkeit getestet und erfüllt die vorgeschriebenen Mindestwerte. Um den Rahmen herum wurde mit Unterstützung weiterer Partner Schmolke, Carbovation, DT-Swiss und Schwalbe ein Fahrrad zusammengestellt und von verschiedenen Personen in flachem und steilem Gelände erfolgreich getestet.
Zu hochwertig für Deponie
Zur wirtschaftlichen und ökologischen Verarbeitung von rCF präsentiert sich keine Alternative, da der Wert von CF einfach zu hoch ist, um ihn auf eine Deponie, in die Verbrennung oder einfach ins Downcycling zu schicken. Daher soll rCF als weitere Rohstoffquelle in Betracht gezogen werden, da die Produktionskapazitäten für erdölbasierte virginale Kohlenstofffasern (vCF) in Zukunft voraussichtlich knapp werden.
Bemerkenswert ist, dass der Einsatz von rCF im CFK-Herstellungsprozess im Vergleich zum Einsatz von vCF zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs um bis zu 80 Prozent führen kann. Erhebliche Energieeinsparungen liegen zwischen 50 und 130 kWh pro Kilogramm CF. Dies ist ein Wendepunkt für die CFK-Industrie und jeder Schritt zur Verringerung des CO2-Äquivalent-Fußabdrucks pro kg CFK wird von Vorteil sein. Unser Projekt Recywind soll einen Beitrag dazu leisten, die Abhängigkeit von Produkten auf fossiler Basis zu verringern und die Kreislaufwirtschaft bei CFK-Materialien einzuführen.
Weitere Informationen unter: www.fhnw.ch
Zum Autor:
Dr. Julian Kupski ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunststofftechnik an Fachhochschule Nordwestschweiz.
Keywords:
Bau- und Gebäudetechnik, Bautechnik, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit, Recycling